Lagebericht von Ally (Aus Sicht der Katze)
Ally:
Es ist eine doofe Zeit. Seit einigen Wochen bin ich jetzt schon im Tierheim. Zuerst war alles ganz in Ordnung. Personal bringt mir Essen, netter Kater nebenan. Aber langsam will ich wieder in die Freiheit. Menschen, die mich unterhalten und mich knuddeln. Regelmäßige Fütterung und Entertainment. Das volle Programm also. Ich sitze draußen im Außenbereich. Da kommen welche, gleich zu fünft. Volle Kapelle nennt man das wohl bei Menschen. Meine Pflegerin macht mir die Tür auf und ich darf sie gleich einmal begrüßen. Wenn ich hier raus will, muss ich erst einmal ein bisschen um sie herum schlawinern. Streicheln dürfen die mich auch. Mag ich selber ja auch gerne. Die Fünf scheinen ganz nett zu sein. Ich will aber auch fair zu Ihnen sein. Zeigen wo die Küche ist und dass ich schön miauen kann. Meine Show ist wohl gut angekommen. Ich habe anscheinend neues Personal bekommen, und dann gleich Fünf davon. Das nenn ich mal Luxus. Der Transportkorb riecht nach fremder Katze. Egal. Bin jetzt im Auto drin und die Fahrt dauert unfucking fassbar lange. Hört das denn gar nicht auf. Haue mein kläglichstes Miauen raus, dass ich draufhabe. Kommt wohl nicht bei denen an, scheinen wohl schlecht zu hören. Jetzt bin ich in meinem neuen Zuhause. Wollen sich wohl bei mir einschleimen. Setzen mir eine so kümmerliche Portion Katzenfutter vor die Nase, lächerlich. Wissen die nicht, wer ich bin? Sie schauen schon ein wenig verstört, als das Essen blitzschnell in meinem Magen verschwunden ist. Dafür habe ich aber den Teller so blank geleckt, der braucht nicht mehr gespült werden. Geben und Nehmen würde ich mal sagen.
Boah, was ist das denn für ein Katzenklo! Da haben ja chinesische Dissidenten eine würdevollere Toilette. Ist ja nur ein Karton mit Katzenstreu drin. Sie scheinen zu merken, dass dies eigentlich unter meiner Würde ist. Lieferschwierigkeiten beim bestellten Luxus-Katzenklo. Bla, Bla, Bla, das will ich mal gelten lassen. Ansonsten zeig ich euch mal, wo ich überall meine Geschäfte erledigen könnte. Warum? Weil ich es kann.
Mir geben sie nur Hungerportionen und jetzt essen die vor meinen Augen Marmorkuchen. Kann doch nicht wahr sein. Zeige aus dem Stand ansatzlos einen eleganten Sprung auf den Kaffeetisch und packe mir mit beiden Pfoten blitzschnell ein Stück Kuchen. Ich will mich ja nicht selber loben, aber das war schon allerhöchste Präzisionsarbeit. Scheinen meine Menschen nicht so zu sehen. Schicken mich humorlos wieder runter vom Tisch. Nein, Ally Nein werde ich die nächsten Tage noch öfters zu hören bekommen. Auch abends wird mein Fitnesstraining nicht gewürdigt. Die jungen Frauen machen Sit-Ups und wenn ich 10 Mal hintereinander aus dem Stand auf die Herdplatte springen will (Das riecht da so lecker) verbietet man mir das. Unfair! Nun ja, ich will es mir mit meinem neuen Personal ja nicht gleich verscherzen. Mit einer Portion Abendessen werde ich in mein Zimmer geschickt. Schmeckt schon gut hier, muss ich ehrlich zugeben.
Die Nacht schlafe ich ziemlich schlecht. Alles ist für mich neu, es riecht auch ganz anders. Am nächsten Morgen bin ich geschafft. Nach dem Frühstück krieche ich unter die Kuscheldecke auf dem Sofa und schlaf mich aus.
Heute Abend will ich denen mal zeigen, wie man richtig jagt. Anschleichen, ansatzloser Sprung, die Beute schnell packen und ab in den Mund. Das Personal scheint das nicht drauf zu haben. Hören schlecht, riechen können Sie auch kaum und diese Reflexe erst einmal. Erbärmlich. So fangen die noch nicht einmal eine tote Maus. Anscheinend haben sie nicht wirklich Interesse an Weiterbildung. Schicken mich in mein Zimmer, wenn Sie essen. Wahrscheinlich sind sie nur neidisch.
Lassen mich immer noch nicht aus dem Wohnzimmer raus. Als ob ich es nicht merken würde, dass dahinter die große weite Welt beginnt. Werde meinen ersten Sitzstreik beginnen. Einen Hungerstreik würde ich jedenfalls schon aus moralisch ethischen Gründen natürlich nicht beginnen.
Das ist schon einmal sicher. Sitzstreik funktioniert prima. Schnell und komplikationslos. Schaue mir einmal die anderen Zimmer und Etagen an. Von Aufräumen scheinen sie nicht so viel zu halten. Ist mir aber ganz lieb. Man kann sich nämlich toll unter Pullovern auf dem Boden verstecken.
Wenigstens ist das erste Katzenklo gekommen. Anfängerfehler, kauft man gleich beim Profi im Tierfachhandel. Da gehen sie jetzt auch hin, um Spielzeug für mich zu kaufen. Holen mir so ein Mausimitat mit Rassel drin. Wollen die mich verarschen? Ich will anspruchsvoller unterhalten werden. Auch die gekauften Bälle sind öde. Geiler Schnick-Schnack mit Laserpointer, so geht das für die moderne Katze heute. Oder mit coolen Alukugeln werfen, das glitzert so schön.
Der Dicke von den Fünfen scheint ganz in Ordnung zu sein. Jedenfalls weiß er, wo das Futter versteckt ist. Von seiner Figur ist er mir nicht so unähnlich. Er scheint wie ich auch gute Leckerlis nicht zu verschmähen. Sie sind aber alle ganz nett, flauschen jedenfalls können sie alle!
Darf jetzt auch in der ganzen Wohnung umherlaufen. Bei den jungen Frauen ist es angenehm im Zimmer. Einen Bürostuhl habe ich für mich in Anspruch genommen. Kam kein Widerspruch. Scheinen sogar damit ganz zufrieden zu sein. Gucken so glücklich, wenn ich entspannt auf dem Bürostuhl schlafe. Gut, dass sie so viele Fotos von mir machen kannte ich vorher noch nicht so. Aber ehrlich gesagt schmeichelt es mir immer. Sie meinen, ich würde das nicht mitbekommen. Ich lasse Sie mal in dem Glauben. Der dünne Sportliche spielt gerne mit mir. Ich glaube, er möchte auch mal so gut jagen können wie ich. Toll fand ich auch, wie sich die Frau in der Silvesternacht um mich gekümmert hat. Auf laute Böllerei stehe ich nun mal überhaupt nicht. Beim ersten Knall kam ich kaum unter das Bett. Warum müssen moderne Betten immer so niedrig sein. Soll keiner behaupten ich wäre nur etwas dicklich. Die Betten sind zu tief, basta.
Anfängerfehler. Auch mir passieren die ab und zu mal. Werfen Leckerlis in den Transportkorb und ich muss zeigen wie schnell ich da reinkomme und das Leckerli aufesse. 0,7 Sekunden brauche ich, eine wirklich gute Zeit. Dafür ist jetzt hinter mir die Gittertür zu und ich werde zum Dank für meinen Einsatz zur Tierärztin gefahren. Eigentlich ist so eine Spritze in meinen Hintern Tierquälerei. Tut richtig weh. Aber ich mache gute Miene zum bösen Spiel. Wenn ich jetzt mein Personal wegen grob fahrlässiger Körperverletzung anzeige, komme ich wieder in ein Tierheim. Mache ich natürlich nicht, dafür ist das Essen einfach zu gut. Abwechslungsreich, nahrhaft, wahrscheinlich noch fair gehandelt so wie ich die einschätzen würde.
Das Entertainment ist hier ganz in Ordnung. Laut Arbeitsvertrag ist das eigentlich meine Sache, aber die machen gerne so alberne Sachen. Verstecken Leckerlis in Papprollen oder werfen sie in einen großen Karton. Scheinen sich zu freuen, wenn ich meine Tagesration erhöhen kann. Ab und zu muss ich ja die Dienstboten bei Laune halten. So sehen sie auf jeden Fall einmal vom Profi, wie man gekonnt in einen Karton springt. Wenn der Dicke das machen würde, der würde danach garantiert 10 Tage in der Tierklinik liegen. Ich schwöre. Auch die anderen sind ziemlich untrainiert. Ob die eine kranke Maus mit drei Beinen fangen könnten wage ich einmal zu bezweifeln. Aber immerhin bekommen Sie besser Dosen auf als ich. Muss man auch einmal zugeben können.
Hauptdarstellerin in einem Film zu sein, das wäre doch etwas für mich. Nicht nur Katzenkino von innen. Aktiv draußen mitmischen. Jagen, dem Personal mal zeigen, wie man Mäuse fängt, Die können sowas nicht. Halt Amateure. Elegant auf Mauern springen. Die Freiheit genießen. Gut zum Drehschluss natürlich in die warme Stube zurück, sich etwas flauschen lassen und sich dann an den gedeckten Tisch setzen. Wird sich einrichten lassen. Habe noch viel vor. Habe ja noch viel Zeit.
Heute Morgen sind Teile der Belegschaft durchgedreht. Draußen ist alles voller Schnee. Da laufen die doch tatsächlich in den Garten, formen kleine Bälle aus dem weißen Zeug und werfen sich gegenseitig an. Als ob so etwas Spaß machen könnte. Aber die Menschen kriegen das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Danach bauen sie ein riesiges, weißes Monstrum. Ich dachte erst, sie wollten mich huldigen (der Bauch war in der Form meinem nicht unähnlich), aber dann stecken die eine Möhre mittig auf dem Kopf und mit Steinen formen sie noch ein Gesicht dazu. Also so sehe ich nun wirklich nicht aus. Als die Dienstboten dann wieder ins Haus kommen, bringen sie eine lausige Kälte mit rein. Also ich habe das schon an der Terrassentür gemerkt und bin gar nicht erst rausgegangen. Habe mir den Wahnsinn gechillt vom Kratzbaum aus angesehen. Wehe, wenn sich von denen einer durch so einen Unsinn erkältet hat. Und deswegen in seinen Dienstleistungen nachlässt, dann …..
Einige Tage später habe ich das Gefühl, dass ich meinen Führungsanspruch untermauern muss. Das Personal könnte meinen, ich wäre schwach. Also gehe ich irgendwann barfuß und ohne Schal und Mütze wie die anderen Weicheier durch den Schnee. Boah ist das kalt. Ich lasse mir aber nicht das Geringste anmerken. So handelt man sich Respekt beim Personal ein! Bin halt die geborene Führungskraft. Die Bedienungen jubeln mir zu. So geht Personalführung heute.
Der Page lässt nach. Er meint es ja gut, aber heute Morgen bekomme ich zum Frühstück „Ente mit Shrimps“ serviert. Einfach pervers. Habe ich keinen Happen davon angerührt. Damit kann mich das Personal jagen. Wenn sie halt jagen könnten. Das Zeug würden die Dosenöffner selber nicht essen, aber mir wollen Sie so etwas unterschieben. Haben die aber sowas von schnell gemerkt, dass war schon ein dicker Fehler! Dem Futtergott sei Dank haben sie mir danach sofort ein neues, volles Schälchen hingestellt. Mein Lieblingsessen: „Taxiteller“, d.h. Kalb mit Huhn. Das ist richtig lecker.
Das Äußere von meinem Personal lässt zu wünschen übrig. Ihr Fell auf dem Kopf wird immer wilder. Behaupten die Frisöre hätten wegen Corona seit 2 Monaten geschlossen. Als ob man für so etwas jemand Fremdes bräuchte. Fellpflege mache ich bei mir immer selber selbst. Und es sieht immer top gestylt aus. Gut, ab und zu dürfen die mich auch mal mit der weichen Fellbürste kämmen. Das gefällt mir schon gut. Pluspunkt für das Personal.
Es wird immer besser. Darf jetzt auch mit synthetischen Drogen experimentieren. Richtig geil das Zeug. Sprühen die Büchsenöffner auf den Boden und ich verliere vollkommen die Contenance. Baldrian nennen sie das Dope. Gibt es nebenan beim Dealer vom Futterhaus. Und das legal. So lässt es sich leben!